Das Finale des Bundeswettbewerbs Gesang (Chanson) in Berlin ist gelaufen!!!
1.Platz Chanson: Gisa Flake
Die Songs, Surabaya-Johnny2 und Kreuzworträtsel, aus dem Preisträgerkonzert 2009 in Videoform:
http://www.bundeswettbewerbgesang.de/09chanson/content_516_video_kp.asp#top
Nur die Musik: Bundeswettbewerb Gesang im Friedrichstadtpalast
Aus der Zeit, als Deutschland seine Superstars noch nicht im Fernsehen suchte, hat sich eine charmante wie einflussreiche Institution in die Gegenwart gerettet: Mit seiner 38. Ausgabe bietet der
Bundeswettbewerb Gesang Preisträgern der Sparten Musical und Chanson im Friedrichstadtpalast die ganz große Bühne. Und die will erst einmal erobert werden. Bei der Eröffnungsszene stakst das
Ensemble noch wenig raumgreifend die von Moderator Götz Alsmann lässig freigegebene Showtreppe herunter. „Im Tanzen hakt es noch“, attestiert Musical-Professor Michael Dixon. Da lägen die
amerikanischen Jungdarsteller weit vorn, während man musikalisch inzwischen gleichauf läge.
Ob Chanson-Haut-Couture oder hocheffiziente Musical-Konfektion – man spürt das Bemühen der Jury, Darsteller mit Charakter auszuzeichnen. Wie Gisa Flake, die den 1. Chanson-Preis gewann:
Stark und doch anmutig, voller Lebenslust mit irrwitzigen Frustanfällen. Stefan Ebert spielt sich den Schmerz von der Seele, einfach nur als „die Musik“ engagiert zu werden und mutiert
mit beschlagener Brille zum rächenden „Forte Mann“ (3. Preis Chanson). Der Kirchenmusiker und angehende Heilpraktiker Benedikt Zeitner dekonstruiert das Pathos des Nachbargenres zielsicher in
Birkenstocksandalen mit seiner „Die Schöne und das Biest“-Exegese (Sonderpreis Chanson). Mit Julia Gámez Martin triumphiert im Musical eine Stimme mit ganz viel Soul: Eigentlich zu schön für den
Gefühlsmainstream. Ulrich Amling
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/kultur/Kurz-Kritisch;art772,2970396
Kritik von Dr. Kevin Clarke
Im Berliner Friedrichstadtpalast fand am Montagabend das Preisträgerkonzert des 38. Bundeswettbewerb Gesang statt, Sparte Musical und Chanson. In Anwesenheit des Regierenden Bürgenmeisters, der selbst einige Extra-Preise vergab, sowie einer Fülle von Besetzungschefs, die das aufstrebende Talent genauer unter der Lupe nehmen wollten, auf der Suche nach Entdeckungen für die Zukunft. Zu entdecken gab es in der Tat einiges – vor allem die grundsätzliche Erkenntnis, dass man sich um den Nachwuchs weit weniger Sorgen machen muss als um so manches Mitglied der etablierten Musical-, Chanson- und Operettenszene (es wurden, erfreulicherweise, auch einige Operettentitel im Musicalstil dargeboten). Von der Energie, Leidenschaft, der Brillanz und dem unendlichen Einfallsreichtum dieser insgesamt 16 jungen Künstler könnte sich so mancher fest engagierte Solist an deutschsprachigen Theatern etwas abschneiden. Jedenfalls habe ich persönlich schon lange nicht mehr ein so rundum erfreuliches, erheiterndes und optimistisch stimmendes Musical/Operetten/Chanson-Konzert erlebt wie dieses.
Eine Sternstunde jagte die nächste. Von Bernsteins 'Glitter and Be Gay’ aus dem Operette 'Candide’ in einer hinreißenden Jonglierwiedergabe durch Olivia Delauré bis zu dem schreiend komischen Günter Neumann-Song 'Jetzt kommt der Sex!’ (auf Sächsisch), dargeboten von der blonden Johanna Spantzel aus Jena. Aber auch bei den Herren gab es entsprechende Sternstunden: der smarte Florian Soyka mit dem parodistischen 'Adolpho’ aus dem Retro-Musical 'A Drowsy Chaperone’ (2006), Benedikt Zeitner mit einer mit umwerfend trockenem Humor dargebotenen Dekonstruktion von 'Wie kann ich sie lieben?’ aus 'Schöne und das Biest’ oder der agile Jörn-Felix Alt mit 'Mascara’ aus 'La Cage aux Folles’ oder der attraktive Berliner Nicky Wuchinger mit 'Anthem’ aus 'Chess’ – in einem einsamen Lichtkegel stehend mit markiger Bariton-Stimme und aufgepumpten Oberarmen geschmettert.
Es wäre unfair, hier nicht auch alle anderen Sänger des Abends zu erwähnen, weil sie jeder einzeln und für sich sensationell waren und Beachtung verdienen (hatte ich schon die köstliche ‚quadratische’ Charakterdarstellerin Gisa Flake erwähnt, die fast allen die Show stahl mit dem 'Kreuzworträtsel’ von Georg Kreisler?)
Nach der knalligen Eröffnungsnummer 'Premierenfieber’ aus Cole Porters 'Kiss Me, Kate’ – dankenswerterweise in der alten Günter Neumann-Übersetzung, die so viel besser ist als die aktuell an der Komischen Oper zu hörende Neufassung – stürmte ein Sänger nach dem anderen die Bühne. Da es etliche Zusatzpreise gab, traten neben den drei jeweiligen Gewinnern in den Sparten Musical (1. Preis: Julia Gámez Martinu, 2. Preis: Florian Soyka, 3. Preis: Stefanie Köhm) und Chanson (1. Preis: Gisa Flake, 2. Preis: Sebastian Strehler, 3. Preis: Stefan Ebert) auch etliche weitere Künstler auf, die Preise der Franz Grothe-, Günter Neumann- oder Walter Kaminsky Stiftungen gewonnen hatten bzw. Förderpreise oder Preise der Deutschen Gesangspädagogen (u.a. Jasmin Schulz). Einen Gisela May Chansonpreis gab es auch, für Maximilian Mann, der mit Trompete in der Hand das melancholische Lied ‚Fachmann in Sachen Anna’ sang. Ganz wunderbar.
Das Ausnahmetalent war für mich jedoch die 1989 geborene Spantzel, die in einem stewardessen-blauen Kleid erst für Furore sorgte mit 'Könnt’ mich jetzt eine seh’n’ ('If they could see me now’) aus Cy Colemans 'Sweet Charity’ (1966), dann – wie erwähnt – alle Lacher auf ihrer Seite hatte mit dem ‚Sächsischen Sex’ und schließlich mit weicher Kopfstimme das intime 'Jimmy’ aus 'Thoroughly Modern Millie’ (2002) anstimmte und damit zutiefst berühren konnte. Das gelang der 1. Preisträgerin Julia Gámez Martin mit einer Breakdance-artigen Version von 'All That Jazz’ weniger (obwohl der Kopfstand am Schluss schon ein toller Stunt war); sie überzeugte dafür auf ganzen Linie mit der bewegenden ‚Lesbischen Lovestory’ aus 'The Wild Party’ (von Andrew Lippa, 2000). Überhaupt fand ich es erfreulich, dass an diesem Abend völlig selbstverständlich das schwule Leben mit ‚La Cage’ und Lesbenliebe mit ‚Wild Party’ besungen wurde, während unser schwuler Bürgermeister in einer der vorderen Reihen saß und interessiert dem Geschehen folgte. Da hätte es der blöden Nummer 'So geil Berlin’ von Matthias Hass/Frank Ramond gar nicht bedurft, um lokalpatriotischen Stolz zu transportieren. Der ergab sich ganz von selbst.
Begleitet wurden die Solisten wunderbar schwungvoll und, wenn nötig, einfühlsam von Adam Benzwi am Klavier und einer Vier-Mann-Kombo bestehend aus Saxophon, Keyboards, Bass und Schlagzeug. Zusammen mit der super Lichtregie sorgten sie für die richtige Showstimmung – den Rest besorgte das Publikum.
Was mir vor allem auffiel, war, dass alle Sänger des Abends perfekte Entertainer waren: die Kunst mit dem Publikum in Kontakt zu treten und es unterhalten zu wollen und zu können, beherrschte jeder und jede (besonders witzig diesbezüglich auch Sebastian Strehler mit dem Sketch 'Der Souffleur’). Ich musste an die vielen mittelmäßig besetzten Musical- und Operettenabende denken, die in letzter Zeit zu sehen waren und dachte: wieso engagiert man nicht solche Jungstars und bringt in Deutschland die Genres an Stadt- und Staatstheatern wirklich auf Vordermann? In Bezug auf Operette sei hier nachdrücklich Christina Patten erwähnt, die das Lied der Köchin aus 'Feuerwerk’ erstklassig sang und spielte. Mit viel Stimme und perfektem komischen Timing.
Wer dieses großartige Konzert nachhören möchte, kann das am 28. Dezember um 20.03 Uhr auf Deutschland Radio Kultur tun. Ansonsten wird man von etlichen der Solisten in nächster Zeit hoffentlich sowieso etwas mitbekommen, wenn sie ihre ersten Haupt- und Nebenrollen übernehmen. In der Jury des Wettbewerbs saßen etliche Intendanten: Hoffentlich beweisen sie Mut und geben diesen aufstrebenden Stars eine erste Chance, bevor sie sie später nicht mehr bezahlen können.
Quelle: http://magazin.klassik.com/konzerte/reviews.cfm?task=review&PID=3126