Kabarett-Kritiken

2011


Nordkurier 03./04.09.2011

 

Das Dorf Carwitz nahe der Kleinstadt Feldberg kennen die Urlauber wegen seiner stillen Lage am See inmitten sanfter hügeliger Landschaft, und die Literaturfreunde kennen es wegen des Hans-Fallada-Museums. Rudolf Ditzen, der sich Hans Fallada nannte, hatte 1933 in Carwitz für sich und seine Familie eine ehemalige Büdnerei erworben, die er bis 1944 bewohnte.

Mit ihrer Konzertreihe „Künstlerstätten“ waren die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern am Donnerstagabend zu Gast im Scheunensaal gegenüber dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Fallada. Der Abend hatte zwei Abteilungen, bei denen sowohl die Fallada-Liebhaber wie auch Musikfreunde voll auf ihre Kosten kamen. (…)

 

Der zweite Teil des Abends führte die Zuschauer auf ganz andere Weise zurück in die musikalische Vergangenheit. Die junge Chansonette Gisa Flake streifte in ihrem Programm durch die Welt des Kabaretts, das sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Paris kommend Berlin erobert hatte.

Mit sympathischer Ausstrahlung, hohem schauspielerischen Können und sehr wandlungsfähiger Stimme erinnerte sie an die großen Frauen der deutschen Kleinkunstbühnen. Natürlich war Claire Waldoff die erste, der sie sich mit „Hermann heeßt er“ (…) widmete. Doch hatte sie nicht nur die freche Berliner Schnauze perfekt drauf, sie konnte auch ganz anders. Als sie mit Friedrich Hollaenders „Zwei dunkle Augen“ das Romanische Café als Literatentreff am Kurfürstendamm besang, blätterte sie mit dunklem Timbre und melodiösem Ton ganz andere Bereiche ihrer Stil- und Stimm-Imitation auf. Mit großem Geschick verband Gisa Flake ihre Wanderung durch die Entwicklung des deutschen Kabaretts mit dem Lebensweg Hans Falladas, den sie in ihren bildhaften und redefreudigen Moderationen nie aus den Augen verlor. Als sie dann nach 1933 auf Erika Mann, Zarah Leander und Lale Andersen zu sprechen und zu singen kam, hatte sie auch dafür einen faszinierend klaren, ausdrucksvollen Vorrat an Gesten und Tönen parat. Geht sie ihren Weg so weiter, wird aus den Anlehnungen an große Vorbilder wohl einmal „die Flake“ werden. Ein großartiger, überzeugender Chansonabend, in den sie ihre Klavierbegleiterin Uschi Syring-Dargies auch als Sängerin einbezog, lässt solche Ahnung durchaus zu. Am Ende großer Jubel, Bravo und Applaus und eine Zugabe zum Mitsingen für alle: „Wenn du mal auf Hawaii bist“.

 

(Michael Baumgartl)


Gießener Anzeiger
Gießener Anzeiger

WNZ, 19.07.2011

 

Sänger trotzen Regenschauer

 - Preisträgerkonzert ist wieder ein Höhepunkt der Wetzlarer Festspiele

 

Wetzlar. Das Wetter meinte es am Samstag gut mit den Wetzlarer Festspielen. Die dunklen Wolken ließen zwar manchen besorgten Blick zum Himmel wandern, der Wetterdienst hatte aber Trockenheit bis 23 Uhr angekündigt.

Dass die letzten Programmnummern im Rosengärtchen dann doch im Regen stattfanden, tat der Stimmung keinen Abbruch mehr. Über den Flügel wurde ein Pavillon gestellt und Christiane Klimt sang die Zugabe quasi unter der Dusche. Zuvor hatten Moderator Boris Leibold und die fünf Preisträger des Bundeswettbewerbs Gesang Berlin die 550 Zuschauer mit einer spritzigen Musikschau begeistert.

Das 1998 vom damaligen künstlerischen Leiter der Wetzlarer Festspiele Dr. Fritzdieter Gerhards ins Leben gerufene Preisträgerkonzert ist einmalig in Deutschland und gibt Preisträgern die Möglichkeit, einem großen Publikum ihr Können zu beweisen. Den Wetzlarern bietet das Konzert die Chance, die zukünftigen Stars der deutschen Musicalbühnen zu Beginn der Karriere zu erleben.

Fünf talentierte Nachwuchssänger präsentierten ihr Können. (...)

Mit umwerfender Komik übernahm Gisa Flake die Bühne, die Braunschweigerin hatte mit Uschi Syring-Dargies ihre eigene Pianistin dabei und vertrieb in einem kleinen Sketch den Pianisten und Moderator des Abends in den Bühnenhintergrund, bevor sie mit "Ich wär so gern ein Sex-Appeal" die Herzen der Zuschauer eroberte. Ihre Vielseitigkeit zeigte Gisa Flake auch im zweiten Teil der Show, unter anderem mit Claire Walldorfs legendärem "Det Scheenste sind die Beenekins" von Walter Kollo.

Gisa Flake ist dem Publikum bereits aus vielen Filmen ein Begriff, darunter als starke Wikingerfrau in "Wickie und die starken Männer".

(...)

Moderator Boris Leibold begleitete die Künstler auf dem Flügel und und begeisterte die Zuschauer mit seinen humorvollen Ansagen. Als um 22.45 der Regen doch früher als erhofft einsetzte, traf es zunächst Gisa Flake, die gerade ein Spottlied auf Männer intonierte. Ihre durchaus nahe liegende Vermutung, dass Gott ein Mann sei und sie unmittelbar bestrafe, quittierte das Publikum mit starkem Beifall und erklatschte sich trotz des Schauers eine Zugabe, die Christiane Klimt sang.


Braunschweiger Zeitung, 01.02.2011


Braunschweiger Zeitung, 27.01.2010

"Nur nicht unterkriegen lassen", Kritik Braunschweiger Zeitung vom 27.01.2010
"Nur nicht unterkriegen lassen", Kritik Braunschweiger Zeitung vom 27.01.2010

Braunschweiger Zeitung, 22.01.2010

 

"Ich bin eine Wuchtbrumme!"

Kabarett, Chanson, Film, Theater - Die Braunschweigerin Gisa Flake auf Erfolgskurs

 

Von Martin Jasper

"Zehn kleine Meckerlein/ die saßen einst beim Wein/ der eine machte Goebbels nach/ da waren’s nur noch neun." So werden die Meckerlein reduziert. Bis auch der letzte nach Dachau kommt – "da waren’s wieder zehn!"

Im Saal des Braunschweiger Kulturzentrums Brunsviga probt Gisa Flake mit ihrem Vater Uwe für eine Revue mit Kabarett aus der Nazizeit. Premiere ist am Sonnabend, 20 Uhr. Die große Frau mit dem blonden Zopf schickt ein "Lili Marleen" hinterher, umgedichtet und mit dem Wunsch am Ende: Wenn der Soldat aus dem Krieg heimkehrt, möge die Laterne in einem anderen Deutschland stehen. Wenn sie das so singt, mit ihrer hell timbrierten Stimme, die hart aufbegehren und sanft vibrieren kann, einfühlsam, aber unsentimental, dann hat das so eine Wucht, dass dem Probengast ein Schauer über den Rücken läuft.

Man spürt sofort: Die Frau hat Präsenz, die kann eine Bühne raumgreifend besetzen. Ein Wunder ist das nicht. Gisa ist in der Brunsviga aufgewachsen, deren Chef ihr Vater ist. "Ich hatte Geige gelernt. Mit sechs Jahren stand ich mit den Pampers-Fiddlers zum erstenmal hier auf der Bühne."

Später hat sie oft mit Papa Kabarett gemacht. "Aber wo ich stehe, was ich wirklich kann, das kann ich hier nicht austesten." Also bewarb sie sich zum Bundeswettbewerb Gesang, Sparte Chanson. Und gewann.

Sie erzählt das lachend, staunend, fast ungläubig. Überhaupt sitzt einem da nach der Probe die reine Glücksmarie gegenüber. Denn das mit dem Chanson-Preis ist ja nicht alles. Wie war das mit Bully Herbig?

Als Schauspielschülerin in München suchte sie einen Ferienjob. "Ich dachte, versuchst du es mal als Statistin beim Film. Daraus wurde eine relativ große Rolle in Bullys ,Wickie’. Der traumhafteste Ferienjob meines Lebens." Gisa spielt die Frau des Wikingers Tjurre, die ihn gerne mal verhaut und fragt: "Sag mal, heulst du?"

Bully, schwärmt sie, sei bei der Arbeit so witzig, wie man ihn kennt. "Und dabei höflich und fürsorglich für sein Team."

Ach ja, und was ist mit dem Theater? Im März tritt Gisa in der Uraufführung des Stücks "Punk Rock" von Simon Stephens im Hamburger Schauspielhaus auf. Sie spielt in einer ruppigen Gruppe Jugendlicher ein Mädchen, das wie ein Gerechtigkeitsengel zu schlichen versucht. Sie überlebt, als einer der Jungs fast die gesamte Gruppe abknallt.

Und was läuft im Fernsehen? Demnächst hat sie eine kleine Rolle im Kölner TV-"Tatort" mit den Kommissaren Schenk und Ballauf.

Im Sommer ist sie mit der Schauspielschule fertig. Für den Herbst plant sie ein eigenes Kabarett-Soloprogramm. Der Preis öffne ihr die Kleinkunstbühnen der Republik, sagt sie strahlend.

Ihren Erfolg erklärt sie so: "Es gibt im Chanson, aber auch unter Schauspielerinnen nur wenige Wuchtbrummen, die sich einfach trauen, so zu sein, wie sie sind. Das ist mein Pfund, glaube ich. Bei mir spürt man einfach, dass ich mich so wohlfühle, wie ich bin!"



Meerdorf

„Erwin seine unanständige Lust“

Laut und schrill, lasziv und subtil, breitmäulig, schiefmäulig, karikierend, böse, derb und rotzenfrech. Krachschlagendes Kabarett im teatr dach. Herrlich! Was für ein Abend!

Erfrischend böse und entlarvend: Philipp Börner und Gisa Flake.

Erfrischend böse und entlarvend: Philipp Börner und Gisa Flake.

© cb

Wendeburg-Meerdorf. Sechs Monate das Gehirnschmalz anstrengen, Proben am Telefon. Denn die Akteure wohnen quer über die Republik verteilt: Uwe Flake, seine Tochter Gisa Flake, Philipp Börner und Uschi Syring-Dargies am Klavier präsentierten im Meerdorfer teatr dach mit ihrem Nummernprogramm „Als das Kabarett laufen lernte“ einen schäumend choreografierten Par-force-Ritt durch die Anfänge des deutschen Kabaretts bis zum Beginn der Nazi-Diktatur.

Ein halbes Jahr hat Uwe Flake an dem Stück geschrieben, geprobt wurde am Telefon, weil das Quartett in München, Berlin und Braunschweig wohnt. Im schwarzen Frack steht Flake an diesem Abend als Theaterdirektor auf der Meerdorfer Kleinkunstbühne und führt die gut 60 Zuschauer mit augenzwinkernden Erklärungen durch die vorgetragenen Chansons.

Schauspiel-Student Philipp Börner gibt Wedekinds: „Ich habe meine Tante geschlachtet“ oder – auf dem Klavierdeckel liegend – das übergeschnappt-nekrophile „Seemannstreue“ von Joachim Ringelnatz, der bevorzugt für Schnaps auftrat. Großartig auch Erich Mühsams „Der Revoluzzer“-Ausschnitt: „War einmal ein Revoluzzer, im Zivilstand Lampenputzer; Schiebermütze übers Ohr, kam er sich höchst gefährlich vor.“

Zentrale Figur der Chansons ist Schauspielschülerin Gisa Flake: burschikos, die Hände in die Hüften gestemmt, lispelnd-naiv oder zuckerzart, lolitaplinkernd „mit’m Zopp“ steht sie da; trällert, schmettert, frotzelt und berlinert mitreißend lebensprall die Songs und Couplets von Annemarie Hase oder Margo Lion und verdreht dabei die Augen, grimassiert, zieht Schnuten, Schippen, Schandmäuler und lacht. Lacht ein ironisch-freigeistiges „Dennoch“ über Todesgrunde, den die Nazis bringen.

Uschi Syring-Dargies begleitet am Piano, singt auch selbst: Und zwar von „dem Erwin seiner unanständigen Lust“, der sein Frau zur Schönheitsoperation schicken will – die wurden nämlich schon seit 1929 in der Berliner Charité durchgeführt.

Nach drei Auftritten war das wohl leider das letzte Mal, wie Uwe Flake im PAZ Gespräch sagte. Es soll aber einen zweiten Teil geben:Kabarett von 1945 bis heute.

Verdienter anhaltender Applaus und Forderung nach Zugabe – beim Kabarett!

Björn Wulfes


Braunschweiger Zeitung 30.05.2009

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Kritik Braunschweiger Zeitung 27. Januar 2009
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Braunschweiger Zeitung 17. Januar 2005
Braunschweiger Zeitung 17. Januar 2005

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